VERONIKA OBERLOJER
Beeinflusst von Malern, die sich mit der Dimension des Lichtes und Gesetzen der Wahrnehmung auseinandersetzten, ist die visuelle Erfahrung von Licht, Raum und Farbe zentrales Thema meiner künstlerischen Arbeit.
Das realistische Malen nach der Natur oder Modellen geht für mich Hand in Hand mit abstrakten Experimenten wobei die Wirkung von Kontrasten und die Wechselbeziehung von Farben untereinander im Vordergrund steht. Während ich bei den figurativen Motiven von einer natürlichen Licht- und Raumsituation ausgehe, handelt es sich bei den abstrakten Arbeiten um frei und spontan erfundenen Farbkompositionen. Dabei werden Farbtöne so kombiniert, dass sie in der optischen Wahrnehmung eine eigene Dynamik entwickeln. Man könnte sagen ”Licht wird beim Betrachten freigesetzt” anstatt in Farbe ”übersetzt” wie in den gegenständlichen Arbeiten.
Unteren den vielen Künstlern die mich im Lauf der Jahre inspirierten möchte ich vor allem die britische Malerin Bridget Riley erwähnen. In dem Essay ”Seurat als Mentor” von 2007 schrieb sie über Georges Seurats Einfluss auf ihre Entwicklung als Malerin:
“Er wollte die Wahrnehmung von Farbe in der Natur wiedergeben, indem er sie isolierte und ihre Bestandteile zusammensetzte. Ich dagegen wollte die aktive Rolle der Farbe in der Wahrnehmung unmittelbar auf der Leinwand freisetzten und gestalten.”

Seurat hinterfragte bisherige Sehgewohnheiten, indem er ein Objekt nicht mehr in seiner charakteristischen Form, Umriss und Körperlichkeit erfasste, sondern das Licht worin ein Gegenstand oder eine Landschaft erscheint, in die ungebrochenen Farben des Sonnenspektrums aufspaltete und als Punkte auf die Leinwand setzte. Riley ging den umgekehrten Weg, indem sie die Empfindung einer visuellen oder seelischen Erfahrung in ihre Bestandteile zerlegte, um sie auf der Bildfläche wieder zusammenzusetzen und somit unsere Augen vor eine neue Herausforderung stellte.
In meiner künstlerischen Arbeit ist das bindende Glied zwischen Abstrakten und Figurativen die Zeichnung. Von einem Motiv sowohl Linienzeichnungen als auch Licht- und Schattenstudien, Flächenzeichnungen, Kontraststudien anzufertigen, eröffnet einen Raum, indem sich visuelle Erfahrungen überlagern und verschmelzen können. Darüber hinaus ist das parallele Arbeiten eine Methode, um mich mit dem Sehen an sich zu beschäftigen, zu einer eigenständigen Farb- und Formsprache zu finden, und nicht zuletzt um Empfindungen auf Papier und Leinwand zu spiegeln.

